“Something wicked this way comes”
Mit der Elektropopshow “Blackbird” starten die Ettlinger Schlossfestpiele am 1. Juni in die neue Saison. Klappe Auf unterhielt sich im Vorfeld mit Solvejg Bauer, die seit 2018 die Festspiele leitet und mit frischen Ideen wie einem Bürgerchor und neuen Sparten wie der Oper das traditionereiche Sommertheater neu aufgestellt hat.
Frau Bauer, vor knapp fünf Jahren übernahmen Sie die Leitung der Schlossfestspiele. Wie fühlen Sie sich in Ettlingen?
Solvejg Bauer : Ich fühle mich angekommen und sehr willkommen. Dies übertrifft bei weitem meine Erwartungen, denn ich hätte mir nicht träumen lassen, dass meine Anstöße hier auf so große Resonanz stoßen und eine ganz eigene Dynamik entwickeln. Dafür bin ich sehr dankbar.
Oper, Schauspiel, Kindertheater, Musical und jetzt auch Tanztheater. Inwieweit sehen Sie sich als Konkurrenz zu den umliegenden Stadt-, Landes- und den Staatsbühnen?
Bauer : Generell betrachte ich Kulturinstitutionen nicht als Konkurrenz, denn je attraktiver sie sind, umso effektiver werben sie für die Kultur, was wieder den anderen Einrichtungen nutzt. Doch tatsächlich haben wir hier unsere unverwechselbaren Eigenschaften. Da ist zunächst die Wahnsinnskulisse des Schlosshofes, die so viel mit uns macht. Zum andern sind wir eine hochprofessionelle Bühne, die aber auch eine starke Durchwebung mit Elementen der Bürgerbeteiligung hat. Diese Kombination ist schon etwas einmaliges und besonderes.
Sie haben der Spielzeit mit Shakespeare das Motto “Something wicked this way comes” gegeben, welches Böse meinen Sie, dass da herankommt?
Bauer : Wicked bedeutet ja auch abgefahren, schräg oder unheimlich. Dies alles verbindet die Stücke unserer Spielzeit. Ich glaube, dass dies unserem Zeitgefühl entspricht. Wir fürchten, dass etwas Bedrohliches über unsere blühende Landschaft hereinbricht, von dem wir nicht klar wissen, was es ist. Die Welt organisiert sich gerade neu, und dies schürt Ängste. Aber auch das Faszinierende am Bösen soll in all unseren Stücken mit zum Vorschein kommen.
Sie haben in Ettlingen die Oper neu eingeführt und inszenieren in diesem Jahr selbst den Freischütz, ist das nicht ein etwas angestaubter Stoff?
Bauer : Doch, total! Deshalb ist es umso wichtiger, dass eine starke Lunge diesen Staub wegbläst. Der Freischütz ist sicher sperriger als die Carmen in der vergangenen Saison – das merken wir im Vorverkauf -, aber wir werden ihn sehr frisch und sinnlich mit viel Körperlichkeit angehen. Wir haben dafür aus 250 Bewerbungen junger Talente ein sehr tolles Ensemble ganz besonderer Charaktere zusammengestellt, und ich hoffe sehr, dass sich mit den ersten Aufführungen schnell herumsprechen wird, wie packend diese Geschichte dreier Menschen doch ist, zumal die großartige Musik im Schlosshof glänzen wird.
Warum kommt jetzt unter dem gewichtigen Titel Schwanensee auch der Tanz nach Ettlingen?
Bauer : Das hatte ich mir schon seit dem ersten Jahr gewünscht, aber erst einmal galt es, die Schlossfestspiele neu aufzubauen. Der Tanz bringt vor allem auch eine technische Herausforderung in den Schlosshof, denn Balletttänzer brauchen einen schwingenden Tanzboden. Wir werden den Schwanensee freilich nicht als konventionelles Ballett zeigen, sondern die Geschichte einer Tänzerin erzählen, die sich jenseits der 50 an ihre großen Momente zurückerinnert. So ist unser Schwanensee ein Stück Tanztheater mit Ballettelementen. Das passt auch gut zu unserem Konzept, neben der Präsentation von unbekannteren Stücken große, bekannte Stoffe auf neue Weise zu erzählen.
Während andere Sommerfestspiele gerne auf fernsehbekannte Größen als Magnete setzen, haben Sie sich für Bürgerchor, die Zusammenarbeit mit Musikhochschulen und die Förderung junger Talente entschieden. Warum?
Bauer : Das ist eine Entscheidung. Ich glaube, dass es heute die Menschen nicht mehr so sehr interessiert, wenn wir Broadway kopieren und etwa mit Gastspielen ein auswechselbares Angebot bieten. Mein Interesse ist es, einen aus der Region atmenden, individuellen Zugriff zu finden, der ein spezifisch für das Ettlinger Schloss gemachtes Theater zeigt. Das ist sicherlich ein gewisses Risiko, aber ich merke dass das hier gut funktioniert. Umso toller finde ich, dass etwa heute an der Wiener Oper ein Sänger brilliert, der in seiner Vita stehen hat, dass er bei den Ettlinger Schlossfestspielen debütierte. Dadurch, dass wir jungen Talenten große Partien anvertrauen, werden wir zum Sprungbrett. da gehen wir den umgekehrten Weg.
Welches Publikum erreichen die Ettlinger Schlossfestspiele, und in welchen Bereichen würden Sie gerne noch zulegen?
Bauer : Es ist ein Vorteil der Festspiele, durch ihren Festivalcharakter zum Beispiel auch mit der Oper Menschen zu erreichen, die sonst vielleicht nicht ins Theater gehen. Der Kern der Theatergänger ist 45 plus, wird aber von viel jungen Menschen flankiert, die etwa in die Produktionen mit der Popakademie strömen. Die Ettlinger kommen vielfach mehrmals und schauen sich verschiedene Stücke an. Dafür ist vielleicht das Spielzeitmotto als Klammer hilfreich. Ausbaubar ist sicherlich das Publikum aus der französischen Grenzregion und auch bei den weniger kulturaffinen Karlsruherinnen und Karlsruhern. Ettlingen bietet ja einen prima Tagesurlaub, Kaffee trinken, vielleicht ein bisschen shoppen und dann der Besuch im Schlosshof, alles bequem mit der Stadtbahn erreichbar. Da ist sicherlich noch viel Potential.
Schlossfestspiele Ettlingen:
Infos: ettlingen.de
Tickets: klappeauf.reservix.de
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